Bildungsgerechtigkeit bedeutet für uns: Das Bildungssystem soll die Schüler*innen befähigen, eine faire Chance zur (auch) selbstbestimmten Teilhabe an der Gesellschaft ergreifen zu können, was voraussetzt, dass die Schüler*innen aufgrund natürlicher und sozialer Merkmale nicht benachteiligt, ihre Potentiale und Fähigkeiten optimal gefördert werden und jede(r) einzelne sich anerkannt fühlen kann.

Unter dieser Perspektive haben wir vor der Wahl Wahlprüfsteine formuliert, den Parteien vorgelegt, ihre Antworten veröffentlicht und in einer Veranstaltung diskutiert. Darauf fußend legen wir hiermit einige Forderungen für die Koalitionsverhandlungen vor.

WIR FORDERN GRUNDLEGENDE UND SICHTBARE SCHRITTE ZUR BILDUNGSGERECHTIGKEIT UND ZUR DEMOKRATIESTÄRKUNG IM BERLINER BILDUNGSSYSTEM.

 

A. Leistung und Teilhabe

Sprachliche und mathematische Basiskompetenzen aller SchülerInnen als eine Voraussetzung der gesellschaftlichen Teilhabe garantieren

Wir fordern eine verbindliche Landesstrategie, damit alle Schülerinnen und Schülern allgemeinbildender Schulen über sprachliche und mathematische Basiskompetenzen als eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe verfügen. Die Landesstrategie soll sich an den Vorschlägen der Expertenkommission orientieren und bis 2027 ihre Ziele erreicht haben. Die Entwicklung soll 2024, 2026 (Grundschule) und 2027 mit dem IQB – Bildungstrend evaluiert werden.

 

Schulen „in kritischer Lage“ werden zu attraktiven und leistungsstarken Schulen

Wir fordern ein verbindliches Landesentwicklungsprojekt, um die sog. „Schulen in kritischer Lage“ bis 2026 zu attraktiven und leistungsstarken Schulen zu entwickeln. Dazu gehören

  • eine faire Mittelverteilung
  • zusätzliche Mittel für die Unterrichts- und Schulentwicklung
  • attraktive Arbeitsbedingungen, um kompetente PädagogInnen zu gewinnen
  • Freiräume für die Entwicklung innovativer Konzepte
  • Begleitung externer Partner bei der Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie der Evaluation
  • Partizipationsprojekte für Schülerinnen und Schüler im Unterricht, Schulleben und im Bezirk
  • Einführung von produktivem Lernen für alle Schülerinnen und Schüler.

 

B. Schule für eine inklusive Gesellschaft

Inklusion an den Schulen stabilisieren

Für die (organisatorische) Entlastung und Professionalisierung der einzelnen Schulen fordern wir ein schulinternes Inklusionszentrum, das sonder- und sozialpädagogischen Aktivitäten und notwendigen Kontakte zu Jugendamt, Sozialamt, SIBUZ und anderen Institutionen koordiniert.

 

Die Gemeinschaftsschule ausbauen

Wir fordern, dass bei Schulneugründungen die Gemeinschaftsschule grundsätzlich Vorrang hat.

Anforderungen der Migrationsgesellschaft aufnehmen

Wir fordern die rechtliche Anerkennung der Herkunftssprachen größerer Bevölkerungsgruppen als 2. Fremdsprache an allen allgemeinbildenden Schulen. Sollten geeignete Lehrkräfte nicht gewonnen werden, müssen digitale Prüfungsvorbereitungskurse entwickelt werden.

Wir fordern die Bildung einer Expertenkommission, die innerhalb eines Jahres Empfehlungen formuliert, welche Veränderungen in den Bereichen (allgemeine) Bildungsziele, Schulkultur, Führung und Management, Professionalisierung der PädagogInnen und Lernkultur der allgemeinbildenden Schulen notwendig sind, um den Anforderungen der Migrationsgesellschaft gerecht zu werden.

 

Multiprofessionelle Teams sind eine personelle Voraussetzung für die Schule in der inklusiven Gesellschaft

Es besteht parteienübergreifend Konsens, dass Schulen in Berlin multiprofessionelle Teams benötigen. Multiprofessionelle Teams bestehen nicht nur aus Lehrkräften, SozialarbeiterInnen und ErzieherInnen, sondern ihnen gehören auch IT-Fachleute, Verwaltungskräfte, Krankenpflegekräfte an. Die für eine effektive Kooperation notwendigen Bedingungen sind zu bereitzustellen. Wir fordern eine bedarfsgerechte schuljahrsunabhängige Einstellung.

 

Kinderschutz verbessern

Wir fordern die Berufung einer/s landesweiten Beauftragten für Kinderrechte und Kinderschutz, die/der beim Polizei- und Bürgerbeauftragten des Abgeordnetenhauses angesiedelt wird.

 

C.Demokratie im Berliner Schulwesen

Partizipation und Antidiskriminierung in den Schulen stärken

Mit der gesetzlichen Einführung der Klassenräte wurde die innerschulische Partizipation ausgebaut. Zur Qualifizierung der Klassenratsarbeit muss eine bedarfsgerechte Fortbildung (schulintern, bezirklich) angeboten werden.

Nach zwei Jahren soll der Stand der innerschulischen Partizipation evaluiert werden.

Wir fordern, dass eine unabhängige Beschwerdestelle über Diskriminierung geschaffen wird, die beim Polizei- und Bürgerbeauftragten des Abgeordnetenhauses angesiedelt wird.

 

Partizipative Elemente in der Steuerung des Bildungssystems erweitern

Bisher wird das Berliner Schulsystem durch einen Mix aus marktwirtschaftlichen, partizipatorischen, bürokratisch-hierarchischen und vertraglichen Elementen gesteuert. Diese Steuerung hat sich gerade in der Pandemie als dysfunktional erwiesen und muss grundlegend überdacht werden.

Als ein erster Schritt einer sichtbaren Veränderung sollen die Kompetenzen der Schüler-, Eltern-Lehrerausschüsse als den wichtigsten Stakeholdern der Schulen, sowie der Bezirksschulbeiräte und des Landesschulbeirats analog zum betrieblichen Mitbestimmungsrecht erweitert werden. Die Mitglieder der Schüler- und Elternausschüsse auf Bezirks- und Landesebene sollen für ihre Aufgaben von der jeweiligen Fachbehörde qualifiziert werden.  Bezirksschulbeiräte und Landesschulbeirat sollen ein Teilnahme- und Rederecht in den entsprechenden Schul-/Bildungsausschüssen erhalten.

 

D.Innovation und Effizienz

Innovationen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung systematisch fördern

Zur Bewältigung der neuen Herausforderungen – insbesondere für die Weiterentwicklung des Lernens in heterogenen Gruppen und die individuelle Förderung – muss das Berliner Bildungssystem innovativer werden. Wir fordern, dass die Bildungsverwaltung ein Programm zur systematischen Innovationsförderung auflegt. Dazu eignen sich: Projektmittel für die Weiterentwicklung von Innovationsideen; Aussetzen schulrechtlicher Bestimmungen für Innovationsprojekte; Entwicklung einer Kommunikationsplattform zum Austausch und zur Weiterentwicklung von innovativen Ideen und Projekten; Aufbau von Schulnetzwerken. Wir fordern, dass der neue Senat in den ersten hundert Tagen ein Gesetz zur systematischen Innovationsförderung im Bildungsbereich vorlegt.

 

Effizienz des Berliner Bildungssystems verbessern

Wir fordern eine schnelle (kleine) Verwaltungsreform im Bildungsbereich, mit der die von der Köller-Kommission genannten sechs Ursachenbündel der mangelnden Wirksamkeit beseitigt werden. Am dringendsten sind die Abschaffung der Doppelzuständigkeiten zwischen der Landes- und Bezirksebene sowie eindeutige Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in der Senatsverwaltung.

Solange diese Reform nicht umgesetzt ist, sollen für Großprojekte wie die Digitalisierung, die Garantie auf den Erwerb von sprachlichen und mathematischen Basiskompetenzen und die Entwicklung der „Schulen in kritischer Lage“ Steuergruppen auf Landesebene aus beteiligten Lehrkräften, Schulleitern, Schulräten, Projektmanagern u.a. gebildet werden, die Durchgriffsrechte gegenüber der Schulverwaltung und den Schulen haben.