Baustein III: Demokratie leben, Verantwortung übernehmen
Lernfeld 1: Klassenrat
Lernfeld 2: Kinder übernehmen Verantwortung – Service-Learning – Lernen durch Engagement
Lernfeld 1: Klassenrat
„Zeit haben, um über Konflikte in der Klasse zu sprechen“, das mag die erste Hoffnung sein, die sich mit dem Thema Klassenrat verbindet. Aber sich auf einen Klassenrat einzulassen, heißt mehr als eine Stunde in der Woche über Probleme sprechen: Es heißt, den Umgang miteinander und – auch wenn letztlich die Erwachsenen dafür verantwortlich sind – Aspekte der Lernkultur, der Klassen- und der Schulkultur partizipativ zu gestalten und Verantwortung übernehmen.
Der Klassenrat ist einer der Orte, wo Kinder Demokratie als Alltagskultur erleben und erlernen, indem sie
- selbstgewählte Lernvorhaben vorstellen und verabreden,
- Kooperationen beschließen,
- Rechercheaufträge und Fragen der Klasse formulieren,
- Lernergebnisse präsentieren und bewerten,
- das soziale Leben der Klasse organisieren,
- Probleme mit anderen Klassen besprechen und ggf. Maßnahmen zur Lösung der Probleme einleiten,
- Selbstverwaltungsangelegenheiten der Klasse besprechen und Beschlüsse fassen.
Konsequenterweise wird der Klassenrat nicht nur in einer Klasse eingeführt, sondern wird auf den gesamten Jahrgang bzw. auf die ganze Schule ausgeweitet, damit eine demokratische Schulkultur in der ganzen Schule entsteht und Demokratie in der Schule nachhaltig wirkt.
Während einer Klassenratssitzung im kanadischen Toronto saßen fünfzehn Kinder in einem engen Kreis zusammen und zeigten sich nach und nach gegenseitig, was sie aus leeren Milchbehältern gebastelt hatten. Ein kleines Mädchen – die Aufmerksamkeit der Gruppe war ihm sicher – stand auf, beschrieb die Milchtüte, die zu einem etwas windschiefen Bus (immerhin mit Fenstern, Türen und Rädern) geworden war, in knappen Worten und setzte sich wieder auf den Boden. Die Lehrerin fragte: „Irgendwelche Kommentare?“ Daraufhin sagte ein anderes Kind in die Runde: „Eine großartige Arbeit!“
Solche Szenen muss der amerikanische Pädagoge Kilpatrick vor Augen gehabt haben, als er ein Projekt als „eine aus ganzem Herzen gewollte, absichtsvolle Tätigkeit“ beschrieb, die in einer sozialen Umgebung stattfindet. Wenn sich Kinder in der Schule auf etwas mit vollem Herzen einlassen, hängt das damit zusammen, dass sie das als lohnenswert empfinden und darauf hoffen, von Gleichaltrigen und Erwachsenen anerkannt zu werden. Der Begriff Anerkennung schließt dabei niemals kritische Rückmeldungen oder Verbesserungsvorschläge an den Stellen aus, an denen sie geboten sind. Es wird mit ihm lediglich festgehalten, dass Kinder wie Erwachsene wertschätzend aufeinander eingehen. Ohne das entsteht bei keinem die lebenslang so wichtige Gewissheit, schwierige Anforderungen selbst bewältigen zu können.
Da der Klassenrat ein wichtiger Lernort für das Ansprechen von Problemen und Konflikten sowohl auf individueller als auch auf zwischenmenschlicher Ebene ist, verstehen Kinder, dass es immer auch alternative Lösungsansätze gibt, für die sie sich entscheiden können. In Klassenratssitzungen entwickeln die Kinder die Kompetenz, Kritik adäquat zu äußern, aber auch Kritik an der eigenen Person anzunehmen.
Lernfeld 2: Kinder übernehmen Verantwortung – Servicelearning – Lernen durch Engagement
Kinder lernen Demokratie durch Partizipation zunächst im schulischen Alltag, dann aber auch über die einzelne Schule hinaus im Gemeinwesen. Wenn Kinder sich mit den Zuständen in ihrem Gemeinwesen konfrontiert sehen und an deren Veränderung mitwirken, entwickeln sie soziale, moralische und demokratische Kompetenzen und übernehmen durch ihr Handeln Verantwortung. Dieser Praxisansatz aus dem amerikanischen Raum wird Service-Learning genannt und hat sich in Deutschland unter dem Titel Lernen durch Engagement eingeführt. Er hat zum Ziel, das Engagement der Kinder in die Lern- und Schulkultur zu integrieren und zum festen Bestandteil des Unterrichts zu machen.
Dabei werden die Erfahrungen, die die Kinder mit ihrem Engagement im schulischen und außerschulischen Umfeld haben, im Unterricht reflektiert und mit unterrichtli- chem Lernen verknüpft. Wenn das Lernen durch Engagement am realen Bedarf der Gemeinde oder dem Stadtteil ausgerichtet ist, lernen die Kinder, wie wertvoll es ist, sich für andere einzusetzen.